Freitag, 20. August 2010

3 Die AG gemäß dem Gesetz Nr. 6404/76

Im Zuge der rechtlichen und wirtschaftlichen Modernisierung wurden das neue brasilianische

Aktiengesetz - AG [1] und das zweite Kapitalmarktgesetz [2] geschaffen.

Diese Gesetze sollten eine stabile rechtliche Struktur zur Stärkung und zum Schutz des Kapitalmarktes des Landes vor der weltweiten wirtschaftlichen und der inneren Krise Mitte der 70er Jahre schaffen. Die Öl-Krise, die Unsicherheit der ausländischen Investoren durch schwache Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die anfällig für Betrug waren und die unwirksame Polizeigewalt schwächten den brasilianischen Kapitalmarkt.

Diese Gesetze leiteten eine neue Ära in Brasilien ein, mit dem Ziel der Modernisierung. Dazu wurde die Brasilianische Börsenaufsichtsbehörde (Comissão de Valores Mobiliários - CVM) gegründet. Ihre Aufgaben waren u.a. die Verantwortung für die Entwicklung und die Regulierung des Kapitalmarktes, die Zuständigkeit für Eintragungen, Kontrolle und weitere allgemeine Funktionen der Unternehmen.

Das neue Aktiengesetz sicherte dem Unternehmer große Freiheiten bei der Wahl seiner Geschäftstätigkeit und der Marktbedingungen zu. Diese Freiheit wurde jedoch direkt an die Verantwortung der Administratoren "de facto et de jure“ gekoppelt.[3]

Die Anzahl der Unternehmen stieg an, die Mittelbeschaffung und die Investitionen verbesserten sich deutlich. Jedoch waren alle Anstrengungen, das Image Brasiliens zu erneuern und zu verbessern nicht ausreichend um das Land von seiner wirtschaftlichen Apathie, in der es sich in den 80er Jahren befand, zu befreien. Es war ein sehr instabiles Jahrzehnt, weltweit z.B. durch den Niedergang der UdSSR und des gesamten kommunistischen Blocks am Ende des Kalten Krieges gekennzeichnet, in Brasilien durch das Ende der Militärdiktatur und dem Inflationsschub während der Regierung von José Sarney.

Diese Faktoren schreckten weitere mögliche Investoren ab, die ihre Investitionen lieber in stabileren und entwickelteren Ländern tätigten.

Erst nach dem Beschluss der CMN Nr. 1.289/87[4] flammte das Interesse ausländischen Kapitals am brasilianischen Kapitalmarkt wieder auf. Folglich wurde dieser Beschluss als Startschuss der Wiederaufnahme des Internationalisierungsprozesses des brasilianischen Wertpapiermarkts angesehen.

3.1 Die Besonderheiten der brasilianischen AG

Die AG wird als eine Kapitalgesellschaft definiert, in der die Bedeutung der Beteiligung der Mitglieder in ihrer Qualität[5] minimiert ist, also das beinahe Fehlen von afectio societatis[6], um eine Wertsteigerung der wirtschaftlichen Beiträge der Unternehmen durch die Aktien, die gehandelt werden, zu erreichen. Wie z.B. in Art. 36[7] sichtbar, wo einige Einschränkungen im Handel reguliert wurden, jedoch aufgrund des Verbotes der Prävalenz der einzelnen Interessen der Aktionäre auf Kosten der AG, eine komplette Sperrung verboten ist, da die wirksame Entstehung des Kapitals des Unternehmens behindert werden könnte.

Das Stammkapital der Gesellschaft besteht aus Wertpapieren (Aktien). Die Haftung der Aktionäre[8] beschränkt sich auf den Wert der Emission der einzelnen Titel. Dabei handelt es sich um eine Maßnahme zur Erhöhung der Beteiligung neuer Mitglieder, durch die Gewährleistung des Schutzes von Krediten, zur Optimierung der Funktionsweise des Wirtschaftssystems.

Die Rechtsnatur einer AG ist privatrechtlich, für viele ist sie vertraglicher Natur. Das Verhältnis und die Haftung der Gesellschafter beschränken sich auf den unterzeichneten Vertrag. Für einige andere ist sie von institutionellem Charakter, wobei die gesellschaftliche Verantwortung sich über das private Interesse hinwegsetzt, wie in Art. 116 § Einziger Paragraph[9] definiert. Darin wird die AG zur Erfüllung ihrer "gesellschaftlichen Funktion" verpflichtet.

Das neue Gesetz akzeptiert in Art. 11[10] die Existenz von Aktien ohne Nominalwert, ohne deren Anteil am Gesamtaktienvolumen jedoch festzulegen. Dieser wird durch die Satzung des Unternehmens definiert.

Es erlaubt die Beteiligung der AG an anderen AGs zur Umsetzung ihres Betriebsgegenstands oder um das Recht auf steuerliche Begünstigung wahrzunehmen.

In Art. 3[11] wird die Verwendung des Begriffs "Unternehmen" am Ende des Namens der Gesellschaft verboten, um Verwechslungen mit Personengesellschaften zu vermeiden.

Ebenso wird die Verpflichtung, in dem Namen der Gesellschaft ihren Zweck verdeutlichen zu müssen, entfernt, da Unternehmen verschiedene komplexe Tätigkeiten haben können und so eine genaue Bezeichnung der Gesellschaft oft unmöglich ist. Erlaubt wird die Verwendung eines Personennamens, z.B. von jemandem, der zum Erfolg des Unternehmens beigetragen hat.

Das Gesetz Nr. 6.404/76 schafft zwei Arten von Unternehmen mit dem Ziel der Anwendung anderer spezifischer Normen.[12] Eine davon ist das offene Unternehmen. Dieses zeichnet sich nach Art. 4[13] durch sein Verhältnis zu dem gesamten Investitionsmarkt aus, dessen Wertpapiere an Börsen oder am Schaltermarkt (Mercado de Balcão) gehandelt werden.

Die zweite Art von Unternehmen ist das geschlossene Unternehmen. Es muss die Anzahl der öffentlichen Aktienausgaben nicht bei der CVM registrieren. Auf diese Weise ist es auf seine korporativen Mitglieder begrenzt. Nach Art. 294[14] ist das geschlossene Unternehmen ebenso auf maximal 20 Aktionäre begrenzt. In seinem Statut wird festgehalten, dass alle Aktien Nominativaktien sein müssen, ihre Umwandlung in andere Formen verboten ist und das Vermögen der Gesellschaft niedriger als der Nominalwert von 20.000 währungsangepassten Staatspapieren sein muss.

3.2 Klassifikation der Rechte der Aktionäre

Da die Interessen der Aktionäre unterschiedlich sind, werden die jeweils erteilten Rechte nach ihrer jeweiligen Ausdehnung und ihren Vorteilen klassifiziert. Einige wollen in der Gesellschaft aktiv sein, indem sie an den Entscheidungen teilnehmen und die wirtschaftlichen Wege der Gesellschaft beeinflussen. Andere verhalten sich passiv, sie möchten die Vorteile und Gewinne bekommen und agieren spekulativ.

Da die Eigenschaften und Wünsche der Mitglieder unterschiedlich sind, ist es sinnvoll, dass die Aktien nicht standardisiert, sondern gemäß der Nachfragen angeboten werden und so auch der Investitionsfluss garantiert wird.

In diesem Sinne gibt es drei Arten von Aktien: die Stamm-, die Vorzugs-, und die Nutzungsaktien.

3.2.1 Die Stammaktien

Die Stammaktien gewähren die allgemeinen Rechte für Mitglieder ohne Einschränkungen oder Privilegien und garantieren das obligatorische Stimmrecht. Diese Aktien sind wertvoll für den Teilhaber, der Interesse am Management der Gesellschaft hat.

In den geschlossenen Unternehmen gibt es, laut Art. 76[15], verschiedene Aktienklassen, die von den Aktionären nach Wunsch ausgewählt werden können. Laut Carvalhosa ist dies eine Neuerung, die das Gleichheitsprinzip der Aktien[16] aufgehoben hat.

3.2.2 Die Vorzugsaktien

Wie der Name schon sagt, bringen solche Aktien gewisse Vorteile und Privilegien für ihre Inhaber. Sie können selbst entscheiden, ob sie ihr Stimmrecht nutzen oder nicht.

Diese Aktien offerieren Präferenz bei der Verteilung von Gewinnen oder bei der Rückzahlung des Kapitals bei einer Liquidation des Unternehmens. In der Regel werden diese Aktien von Aktionären genutzt, die kein administratives Interesse an dem Unternehmen haben, sondern vor allem am Gewinn und am Ausbau von allgemeinen Einflussmöglichkeiten interessiert sind.

3.2.3 Die Nutzungsaktien

Die Nutzungsaktien entstehen aus der Tilgung der Stammaktien oder der Vorzugsaktien. Art. 44, 5 AktG regelt, dass die vollständig getilgten Aktien durch Nutzungsaktien ersetzt werden können mittels der Restriktionen, die in der Satzung der Gesellschaft fixiert sind oder durch die Generalversammlung.

In jedem Fall wird, bei einer Liquidation der Gesellschaft, zunächst der Tilgungswert, mit Währungskorrektur, der nicht getilgten Aktien garantiert. Die getilgten Aktien kommen erst danach zum Zuge.

Dementsprechend geben die Nutzungsaktien, die aus den Tilgungen entstanden sind, dem Aktionär den Wert seiner Investition zurück.

3.3 Die Behandlung der Minderheitsgesellschafter

Für die Minderheitsgesellschafter bzw. Minderheitsaktionäre versuchte das neue AktG neue Maßnahmen einzuführen

“um den Respekt der definierten und gerechten Regeln zu sichern, die den Unternehmer in seinen Initiativen nicht lähmen und zugleich ausreichende Sicherheit und attraktive Rendite offerieren sollen.” [17]

Eine dieser Maßnahmen befindet sich in Art. 2 §2[18]. Sie verlangt eine komplette und präzise Definition des Betriebsgegendstandes einer Gesellschaft, um die Einwirkung der Mehrheitsaktionäre und Verwalter besser beschränken und einen Missbrauch der Macht leichter charakterisieren zu können.

Allerdings kann man nicht sagen, dass das neue AktG wirkliche Gleichheit zwischen den Aktionären geschaffen hat. Es hat die Rechte von Minderheitsaktionären oberflächlich behandelt und einige Kriterien festgelegt, die jedoch oft nicht in die Praxis umgesetzt wurden.

3.4 Die Schaffung der Brasilianischen Börsenaufsichtsbehörde (Comissão de Valores Mobiliários - CVM) und die Bestimmungen über den Wertpapiermarkt

Das Gesetz Nr. 6385 von 1976 initiiert die Schaffung der Brasilianischen Börsenaufsichtsbehörde (Comissão de Valores Mobiliários - CVM), die an das Finanzministerium[19] angebunden wurde. Ihre wichtigste Aufgabe war die Finanzmarktregulierung.

Die CVM reguliert durch Richtlinien, Beschlüsse und andere normative Akte im Einklang mit dem AktG 6404/76 den Wertpapiermarkt und diszipliniert die Tätigkeiten der offenen Gesellschaften und von Dritten, die unmittelbar mit ihr in Verbindungen stehen.

Weiterhin ist die CVM verantwortlich für die Registrierung von Unternehmen und deren Wertpapieren und dafür, Daten zur Konsultation zur Verfügung zu stellen durch die Ausstellung von Gutachten, die der “Orientierung der Marktteilnehmer dienen, die ihre Anliegen in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich formulieren können (Art. 13 vom Gesetz Nr. 6.385/76)”.[20]

Die offenen Unternehmen sind zur regelmäßigen Präsentation von Informationen und Rechenschaftsberichten an die CVM verpflichtet. Darüber hinaus beschränkt die CVM den Handel, der auf privilegierten Informationen beruht und garantiert einige Sicherheiten für Minderheitsaktionäre. Sie versucht auch der Manipulation der Preise entgegenzuwirken und den Finanzmarkt anzuregen.

In ihrer Struktur besteht die CVM aus einem Präsidenten und vier Direktoren. Die Ernennungen erfolgt direkt und ausschließlich durch den Präsidenten der Republik und muss, seit 2002[21], vom Senat bestätigt werden.[22] In diesem Gesetz waren die Amtszeiten der einzelnen Posten nicht konkretisiert. Der Geschäftsordnung war das Ius puniendi vorbehalten, das verantwortlich für die Regelung der Vertretungen der Geschäftsleitung war. Der Präsident der CVM hatte das Recht auf einen Sitz im Nationalen Währungsrat CMN (Conselho Monetário Nacional) und das Vetorecht.

Die CVM diszipliniert und kontrolliert die Ausstellung und Verteilungen der Wertpapiere auf dem Markt.[23] So bedürfen die offene Gesellschaft und ihre Aktien der Registrierung vor der Verteilung und der öffentlichen Ausstellung auf den Kapitalmärkten.[24] Die Leistung der CVM garantiert den Anlegern die erforderlichen und präzisen Informationen, die von grundlegender Bedeutung für die Entscheidung über künftige Investitionen sein können.

Da die Werte verzeichnet werden, wird nicht nur die Rechtmäßigkeit der Aktien untersucht, sondern auch die Rechtmäßigkeit der Handlungen der Aktionäre. Diese Untersuchung ist eine weitere Sicherheit für die Minderheitsaktionäre.[25] Dennoch garantiert die CVM nicht, dass alle Wertpapiere immun gegen Betrug oder sonstige rechtswidrige Handlungen sind. Dafür gibt es weitere gesetzliche Richtlinien innerhalb der CVM, die versuchen, gegen Betrug vorzugehen.[26]



[1] AktG Nr. 6.404/76 als Ablösung der Gesetzesverordnung 2.627/40

[2] AktG Nr. 6.385/76

[3] Lei das sociedades por ações (2008, S. 21)

[4] Verabschiedet die Regelungen, die die Gründung, die Funktionsweise und die Administration der Investitionsgesellschaften festlegen – Ausländisches Kapital, Investmentfond – Ausländisches Kapital und Anlageportefeuille und Kapitalmarktpapiere. Res. CMN/BACEN 1.289/87 - Res. - Resolution CONSELHO MONETÁRIO NACIONAL - CMN (BACEN) Nr. 1.289 vom 20.03.1987

[5] TOMAZETTE. (2008, S.381)

[6] STJ, 3a T., MC 3438/SP, Rel. Min. Menezes Direito, DJ 9.4.2001, S. 349

[7] AktG Nr.6.404/76

[8] Die Haftung der Aktionäre bei der Investition ist auf die Höhe des investierten Kapitals beschränkt.

[9] AktG Nr.6.404/76

[10] AktG Nr.6.404/76

[11] AktG Nr.6.404/76

[12] Die offene Gesellschaft wird geführt in Übereinstimmung mit dem Gesetz 4.728/65 und seinen Art. 16, 19 und 21, die die Regeln für Unternehmen mit auf dem Markt gehandelten Wertpapieren oder öffentlich gehandelten festlegen. Diese Artikel wurden später teilweise durch die Art. 11, 16, 19, 20 und 21 des Gesetzes 6385/76 aufgehoben.

[13] AktG Nr.6.404/76

[14] AktG Nr.6.404/76

[15] AktG Nr.6.404/76

[16] CARVALHOSA (1997, S. 119)

[17] Lei das sociedades por ações (2008, S. 21)

[18] AktG Nr.6.404/76

[19] Art. 5 des Gesetzes 6.385/76 - Die Börsenaufsichtsbehörde wird gegründet, eine autarke Behörde, die an das Finanzministerium gekoppelt ist.

[20] TOMAZETTE (2008, S.391)

[21] Gesetz 10.411/02

[22] Art. 6, Überschrift des Gesetzes 6.385/76 - Die Börsenaufsichtsbehörde wird von einem Präsidenten und vier Leitern verwaltet, die von dem Präsidenten der Republik ernannt werden, einen unbeschadeten Ruf und anerkannte Erfahrungen auf den Wertpapiermärkten haben.

[23] Art. 1, I des Gesetzes 6.385/76 – Es werden folgende Aktivitäten durch dieses Gesetz geregelt und kontrolliert:

I – die Ausgabe und Verteilung der Papiere auf dem Kapitalmarkt; (...)

[24] TOMAZETTE (2008, S. 391)

[25] Art. 1, I und Art. 4 des Gesetzes 6.385/76

[26]Wie z.B. die Vorschrift Nr. 5 vom 26.12.1978, die über die Zulassung der Aktien der offenen Gesellschaften für den Handel an der Börse verfügt. Diese Vorschrift wurde durch die Vorschrift 312/99 aufgehoben.

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