Dienstag, 22. März 2011

5. Die “tatsächliche” Beteiligung der Mitglieder in einer AG.

Die Befugnisse und Zuständigkeiten der Mehrheitsaktionäre. Die gesetzliche Beteiligung von Minderheitsaktionären 1

Man kann nicht davon ausgehen, dass alle Beziehungen zwischen Mehrheits- und Minderheitsaktionären nach dem Beginn der neuen Regelungen der Unternehmensführung freundschaftlich geworden sind.

Ausgehend von den ehemaligen Beziehungen zwischen den Aktionären einer AG gibt es weiterhin viel Widerstand gegenüber der direkten Beteiligung von Minderheitsaktionären. Diese Unternehmen werden in der Regel entweder von Holdings (oder Aktionärsverträgen), Pensionsfonds oder Familiengruppen kontrolliert, die den Zugang erschweren oder ihre Minderheiten entfremden, um die Kontrolle des Unternehmens ohne jegliche Einmischung in die Entscheidungsfindung zu behalten.


5.1 Die Mehrheitsaktionäre. Aufgaben und Verantwortlichkeiten für das Unternehmen und für Minderheitsaktionäre

Der Kontrolleur wird nach Art. 1162 definiert als natürliche oder juristische Person oder auch als eine durch Aktionärsvertrag oder gemeinsame Kontrolle formierte Aktionärsgruppe, die die effektive Mehrheit der Stammaktien einer AG besitzt, was eine dauerhafte und stabile Mehrheit der Stimmen der Gesellschaft garantieren soll.

Seine effektive Macht, garantiert durch seine Beschlussfähigkeit, die der der anderen Gesellschaftern überlegen ist, sollte für gesellschaftliche Aktivitäten, die Geschäftstätigkeit, die Wahl der Mehrheit seiner Geschäftsführergruppe und die Funktionalität des Unternehmens genutzt werden.

Die Kontrolle des Unternehmens liegt in der Verantwortung des Kontrolleurs, wofür ihm klare Regeln in Bezug auf die Ausübung seiner Macht aufgestellt sind und Sanktionen, falls es zum Missbrauch der Macht in seiner Verwaltung kommt.

Der Kontrolleur, der Interesse an einer Steigerung der Investitionen und an einer stabilen Geschäftsentwicklung seiner AG hat, muss auf die Anforderungen der guten Verwaltungspraxis eingehen, die nicht nur individuelle Interessen, sondern auch gesellschaftliche Interessen garantieren, wie z. B. die Vertretung der Interessen der Minderheitsaktionäre, eine gerechte Behandlung der Mitarbeiter, Umweltschutz, usw.

Er ist verantwortlich für die Umsetzung der gesellschaftlichen Funktion des Unternehmens und muss trotzdem auch die Interessen der anderen Parteien, die direkt oder indirekt mit dem Unternehmen in Verbindung stehen, berücksichtigen.

Eine unverantwortliche Ausübung3 seiner Funktion ist klar strafbar in diesem neuen Aktionärsverhältnis. Insbesondere dadurch, dass die Minderheitsaktionäre durch Machtmissbrauch direkt getroffen werden. Ihre Entscheidungsbefugnis ist gering, jedoch wichtig, da sie zum effektiven Kapital des Unternehmens beitragen.4

Ein Machtmissbrauch verpflichtet den Angeklagten nach Art. 117, §15 zu einem Schadensersatz. Eine Misswirtschaft liegt dann vor, wenn das gesellschaftliche Interesse oder das Interesse der Minderheitsgesellschafter nicht respektiert wurde oder eine Verletzung der nationalen, bzw. allgemeinen gesellschaftlichen Interessen stattgefunden hat.

Unabhängig davon, ob es eine vorsätzliche oder schuldhafte Handlung war, wird sie mit einer Schadensersatzpflicht bestraft. Die Beweisführungslast obliegt demjenigen, der zu Schaden gekommen ist.

Die einzige echte Neuheit dieses brasilianischen AktG war die Hinzufügung des Art. 116-A.6 Er setzt fest, dass jegliche Veränderung innerhalb der AG durch Wahlen der Mitglieder für den Verwaltungsrat oder Aufsichtsrat sofort an die Organe, bei denen ihre Wertpapiere gehandelt werden (z.B. CVM, BOVESPA usw.), gemeldet werden muss.


5.2 Minderheitsaktionäre in den Entscheidungen der Gesellschaft. Abstimmungen, Aktionärsverträge und das Entziehungsrecht

Der beste Weg um zu zeigen, dass die Minderheitsaktionäre aktiv an der Gesellschaft teilhaben und dass ihre Rechte respektiert werden, ist Transparenz bei der Einberufung der beschließenden Versammlungen zu zeigen und die Anreize für Minderheitsaktionäre zu erhöhen.

Einige Unternehmen bieten verschiedene Informationsdienste für Aktionäre, Investoren oder diejenigen, die Aktien kaufen wollen, an. Diese werden z.B. per Internet, per Telefon, Fax oder auf anderen Wegen zugänglich gemacht.

In einer AG wird die Meinung der Minderheit durch Wahlen zur Kenntnis genommen. Der Minderheitsaktionär hat die Möglichkeit, Aktionärsgruppen zu gründen um bestimmte Interessen zu vertreten und dadurch die sog. Aktionärsverträge zu schließen. Das gleiche Recht besteht jedoch auch für Mehrheitsaktionäre.

Falls der Aktionär nicht mehr zufrieden mit den Entscheidungen des Unternehmens oder gegen eine evtl. Veräußerung der AG ist, so kann er sich auf das Entziehungsrecht berufen und aus der Gesellschaft ausscheiden.


5.2.1 Das Stimmrecht

Die Abstimmung wird meist als eine unbedeutende Praxis in der Welt der Aktiengesellschaften betrachtet, da sich nur wenige Teilhaber für die Entscheidungen des Vorstandes interessieren, da sie meist andere Prioritäten haben, nämlich die Gewinne, Zinserträge oder Dividenden der AG.

Deswegen ist das Stimmrecht nicht als ein Grundrecht definiert, obwohl es “eine Demonstration des Willens bzw. des Verständnisses des Aktionärs zu einem bestimmten Thema ist”7 . So sehr auch das neue Gesetz den Minderheitsaktionären mehr Zugang zu den Entscheidungen des Unternehmens gibt, ist es noch immer eine nicht besonders beliebte Praxis.

Die „Standardstimme“ zeichnet sich durch die Menge der Aktien der Aktionäre aus, jede Aktie bedeutet eine Stimme.8 Sie wird in der Regel bei der ordentlichen oder außerordentlichen Generalversammlung zum Ausdruck gebracht. Es kann auch sein, dass eine Begrenzung der Anzahl der Stimmen eines Aktieninhabers in der Satzung des Unternehmens festgelegt ist. Wer Vorzugaktien besitzt, hat normalerweise kein Recht auf eine Stimme9, da er andere Vorteile hat, die sich über dieses Recht hinwegsetzen.

Die Ziele einer Stimme sind die negative bzw. positive Äußerung zu einer bestimmten institutionellen Frage des Unternehmens oder die Genehmigung der Managementebenen.10 Unabhängig von ihrer Form muss die Stimme die Verpflichtung zur Loyalität unter den Teilhabern berücksichtigen. Obwohl die afectio societatis fast nicht vorhanden ist, muss die Wahl mit den Interessen der Gesellschaft übereinstimmen, sonst wird sie als missbräuchlich betrachtet.

Diese Regeln gehen gegen einen evtl. Missbrauch vor, der der AG Schaden zufügen könnte. Weiterhin verhindern sie missbräuchliche Geltendmachungen und die Veränderung des Zweckes der Stimme zum unsachgemäßen Nutzen eines Aktionärs oder Dritten.

Die unsachgemäße Ausübung der Stimme wird mit einer Schadensersatzpflicht bestraft, da es eine zivilrechtliche Haftung für rechtswidrige Aktionen gibt. Der Angeklagte muss dem Unternehmen die aufgrund der irregulären Stimmen erzielten Gewinne übertragen.

5.2.2 Der Aktionärsvertrag11

Aktionärsverträge sind nicht per Gesetz verboten. Sie werden unterzeichnet, wenn die Aktionäre Interesse daran haben, gemeinsame Ideen und Wünsche in vertraglichen Vereinbarungen festzulegen.

Mit einem Aktionärsvertrag gibt es die Möglichkeit reziproke Beziehungen12 auszuhandeln, wie z.B. der Posten des Vorstands, um die Macht in einer einzigen Kontrolleurgruppe zu halten oder andere Strategien um eine regelmäßige Fortdauer der Kontrolle der AG innerhalb einer Gruppe zu halten.

Grundsätzlich sind Abmachungen zu jeglichen Themen erlaubt, jedoch ist der Verkauf von Stimmen rigoros verboten. Eine Abmachung wird dann als nichtig betrachtet, wenn mit ihr eine Verpflichtung einhergeht, immer der Glaubwürdigkeit der Verwaltungskonten zuzustimmen oder wenn ein Mitglied verpflichtet wird immer nach dem Willen eines anderen Mitgliedes abzustimmen.

Da es sich um einen Vertrag handelt, muss er nach den Vorgaben des Art. 10413 des brasilianischen ZGB zustande kommen, damit er rechtskräftig werden kann. Weiterhin müssen die legalen Formen nach Art. 11814 erfüllt werden.

Nach brasilianischem Recht gibt es zwei Vertragsarten, eine legt eine gemeinsame Zustimmung fest und die andere eine so genannte “Blockadeabmachung”15. Nach dem Inkrafttreten des neuen AktG 10.303/01 gibt es einen neuen Vertragstyp, der aufgrund des Interesses der Ausübung der Kontrolle des Unternehmens geschlossen wird. Er schließt die Verwaltung des Unternehmens ein und bindet die Mitglieder des Vorstands an die getroffenen Entscheidungen.

Die Minderheitsaktionäre haben die gleichen Rechte, um diese Arten von Vereinbarungen zur Stärkung der gemeinsamen Interessen zwischen ihnen zu nutzen. Deswegen betrachtet man einen solchen Vertrag als “das wichtigste Instrument, dass das brasilianische Gesellschaftsrecht für die Stabilisierung der Aktienpositionen reserviert hat”16. Dem Kontrolleur obliegt die Ausübung der gesellschaftlichen Funktion der AG, indem er die Beteiligungen reguliert und die Minderheitsaktionäre zur Teilnahme an Aktionärsvertragen ermuntert.


5.2.3 Das Entziehungsrecht

Eine weitere Garantie für die Minderheitsaktionäre ist, dass, wenn sie kein Interesse mehr an der AG haben, weil diese irgendeine wichtige Veränderung in ihrer Form angenommen hat, sie sich auf ihr Entziehungsrecht berufen können. Mit diesem Recht wird versucht, Veränderungen der Gesellschaft durch den Kontrolleur bzw. die Mehrheitsgruppe in Grenzen zu halten. So können Entscheidungen, die zum Nachteil der Minderheiten getroffen werden, durch einen Rückzug dieser aus der AG sanktioniert werden. Dies impliziert eine Erstattung des Aktienwertes durch das Unternehmen und bedeutet damit eine finanzielle Belastung.

Jedoch kann man sich nicht bewusst auf dieses Recht berufen. Die rechtmäßigen Hypothesen waren in Art.13717 festgehalten, jedoch gab es im Laufe der Zeit viele Veränderungen aufgrund von großen Meinungsverschiedenheiten zu diesem Thema.

1989 trat das Gesetz Nr. 7.958/8918 in Kraft. Es hat die Möglichkeit der Berufung auf das Entziehungsrecht bei einer Fusion, Inkorporation, Spaltung oder Teilnahme der AG an einer anderen Gesellschaft außer Kraft gesetzt und damit ein wichtiges Vorrecht der Minderheitsaktionäre.

Dieses Gesetz stand ebenso im Konflikt zu dem Art. 137 und es mangelte an einer Rechtsentzungstechnik, so dass es im Endeffekt als “tote Buchstaben”19 bezeichnet wurde.

Im Jahr 1997 wurde das Gesetz Nr. 9.457/97 publiziert. Es hat u.a. die Art. 17, 254, 255 §§1,220 verändert. Es unterstreicht die Vorteile der Vorzugsaktien gegenüber anderen Aktien, wie die Vergabe der Aktien ohne Stimmrechte oder mit eingeschränktem Stimmrecht auf 2/3 der gesamten Aktien, die Abschaffung der Pflicht zu einem öffentlichen Angebot an Minderheitsaktionäre im Falle der Übertragung der Kontrolle des Unternehmens und den Beschluss der Erhöhung der Dividende der Vorzugsaktien auf 10% gegenüber den Stammaktien. Damit ging eine klare Verringerung der Beteiligung und des Einflusses der Minderheitsaktionäre in einer AG einher.

In dem neuen AktG jedoch wurden die gesetzlichen Hypothesen wiederum neu definiert und den Minderheitsaktionären alte Rechte des AktG Nr.6.404/76 wiedergegeben. Es entstand eine Mischung aus dem älteren AktG und den neuen Gesetzesbestimmungen. Das neue AktG definiert unter welchen Umständen sich die Aktionäre auf das Entziehungsrecht berufen dürfen21:

I- in der Kombination des Art.136 I, VI und IX über die Beschlussfähigkeit in der Jahressonderversammlung mit dem Art. 137 über das Entziehungsrecht; 22

II- in dem Fall, dass die Aktien nicht von der Nachfolgegesellschaft auf einem sekundären Markt gehandelt wurden, nach Art. 22323, mit einer Frist von 120 Tagen24;

III- im Falle des Art. 252, bei Beschluss in der Generalversammlung über die Inkorporation der Aktien eines Unternehmens in ein anderes;

IV- bei einer Spaltung in der Übernahme der Kontrolle25 oder bei Veränderungen des Unternehmens26 und

V- bei Unregelmäßigkeiten beim Aufbau und der Übernahme der Kontrolle der AG27.

Eine Meinungsverschiedenheit zwischen den Aktionären ist noch kein Grund für einen Rückzug und wird nicht anerkannt. Es gibt weitere Restriktionen, die den willkürlichen und damit nur kostspieligen Rückzug verhindern sollen.

Grundsätzlich obliegt den Aktionären jeweils selbst die Beweisführungslast ihres Schadens28. Somit wird das Entziehungsrecht zu einem relativen Recht. Das Interesse der Gesellschaft wird in den Vordergrund gestellt, vor die Entscheidung über einen möglichen Schaden für die Aktionäre.

---------------------------------------------------------------------------------

1

1. In diesem Fall wird mit dem Begriff „Gesetz“ die Zusammenfassung des AktG Nr.6.404/76 mit den Veränderungen des neuen AktG Nr.10.3030/01 verstanden, da beide Artikel, die Regeln für die Mitgliedern festlegen, teilweise geändert wurden.

2. AktG Nr.6.404/76

3. TOMAZETTE (2008, S. 470)

4. So ist die Hauptverpflichtung aller Aktionäre nach Art. 106, 107 und 108 des AktG Nr.6.404/76, der Beitrag zum Gesellschaftskapital.

5. AktG Nr.6.404/76, mit einer Änderung des Gesetztes Nr.9.457/97, die den Abschnitt “h“ hinzugefügt hat, expliziert:„Zeichnung der Aktien, laut Zweck des Artikels 170, mit der Nutzung fremder Vermögenswerte für den Betriebsgegenstand einer Gesellschaft.”

6. AktG Nr. 10.303/01

7. TOMAZETTE (2008, S.488)

8. Art. 110 AktG Nr.6.404/76

9. Mit Ausnahmen, wie z.B. in Art. 87 AktG Nr.6.404/76 beschrieben

10. CARVALHOSA (1997, S.334)

11. Art. 118 AktG Nr.6.404/76

12. COELHO (2008, S.315)

13. Brasilianisches ZGB, Art. 104 - Die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts erfordert: I – die Fähigkeit des Handelnden; II - ein gültiges, mögliches, bestimmtes oder bestimmbares Objekt; III – eine gesetzlich vorgeschriebene oder nicht verbotene Form.

14. AktG Nr.6.404/76

15. TOMAZETTE (2008, S.493)

16. COELHO (2008, S.315)

17. AktG Nr.6.404/76

18. Dieses Gesetz wurde bekannt als “Lobãos Gesetz”, weil der Senator Edison Lobão der Staates Maranhão es begründet hat. Es hat die Überschrift des Art. 137 AktG Nr.6.404/76 verändert.

19. GOMES. (http://www.coladaweb.com). Zugriff am: 09.01.09.

20. AktG Nr.6.404/76

21. TOMAZETTE (2008, S. 484)

22. Kombination der beiden AktG.

23. Die Inkorporation, der Zusammenschluss oder die Abspaltung einer AG.

24. Art. 223, §3 AktG Nr.6.404/76. Dieser Abschnitt wurde in das AktG Nr.9.457/97 eingefügt und wurde in der neuen AktG Fassung Nr.10.303/01 beibehalten.

25. Art. 256, §2 wurde durch dem Gesetz Nr.9.457/97 verändert und wurde in der neuen AktG Fassung Nr.10.303/01 beibehalten.

26. Art. 221 AktG Nr.6.303776, wurde in der neuen AktG Fassung Nr.10.303/01 beibehalten.

27. Art. 236 wurde in der neuen AktG Fassung Nr.10.303/01 beibehalten.

28. MÜSSNICH (1998 S. 79)

Freitag, 10. September 2010

4. Das Gesetz 10.303/01 bzw. das “neue Aktiengesetz”, der “Neue Markt” und die Stufen 1 und 2 der differenzierten Verfahren von Corporate Governance.

Die durch die zunehmende Öffnung des brasilianischen Wirtschaftsmarktes höhere Anzahl

der Investitionen und die stärkere Beteiligung der brasilianischen Investoren an ausländischen Märkten haben eine Anpassung der Regeln und Gewohnheiten des nationalen Marktes nötig gemacht. Beispielgebend waren die Regeln der US SEC (Securities and Exchange Commission), die auf Informationen und mehr Transparenz in den Prinzipen der Corporate Governance Wert legen. Damit wurde den brasilianischen Unternehmen praktisch eine „Evolution“ aufgedrängt. Die Aktionäre sind anspruchsvoller, ihnen sind eine Stabilisierung des Marktes und rechtliche Garantien wichtig, die die Investitionen schützen und gleichzeitig die Mobilität des Handels und des Gewinns vereinfachen.

Das neue AktG 10303/01, die Gründung des Neuen Markts (Novo Mercado) und die Stufen 1 und 2 der Corporate Governance durch die Börse von São Paulo (BOVESPA) [1] wurden nach einer langen Zeit der Verhandlungen zwischen der brasilianischen Regierung und den nationalen Unternehmen durchgesetzt. Beide hatten den Wunsch (mit unterschiedlichen Interessen, aber mit dem gleichen Ziel) den brasilianischen Markt wieder an die großen ausländischen Kapitalbewegungen anzuschließen.

Diese Veränderungen haben die "Kultur" des Umgangs der Brasilianer mit dem brasilianischen Wertpapiermarkt und ihre Beteiligung an AGs drastisch verändert.

Das Risiko eines Chaos war sehr hoch, jedoch haben die positiven Auswirkungen dieser Änderungen Brasilien auf ein “sicheres Niveau” für Investitionen gehoben und garantieren eine bessere Stabilität bei evtl. Wirtschaftskrisen.

Die größten Veränderungen lagen in einem besseren Schutz der Minderheitsaktionäre. Oder, wie zu der Zeit von den nationalen Medien berichtet wurde, war das neue Gesetz „ein Meilenstein in der Erweiterung der Garantien für Minderheitsaktionäre in den Aktiengesellschaften."[2]

Das neue AktG regelt eine Vielzahl an Rechten, die die Mindestquotenaktionäre betrifft und ihre Positionierung gegenüber den Kontrolleuren des Unternehmens regelt. In der Erwartung, dass das neue AktG das Interesse an Aktien erhöhen würde, wurde den Minderheitsaktionären ein besserer Schutz gegeben, auch um eine stärkere Integration der brasilianischen Mittelschicht und anderer Investoren in das brasilianische Wertpapiergeschäft möglich zu machen.

Eine dieser Änderungen ist in Art. 15, Absatz 2 festgehalten.[3] Hier wird der Anteil der Vorzugsaktien ohne Stimmrecht auf einen Höchstsatz von 50% der insgesamt ausgegebenen Aktien beschränkt.

In Art. 17[4] fand eine Neuformulierung der Präferenzen bzw. der Vorteile der Vorzugsaktien statt, die zur Stärkung der Aktionärsverträge[5] beigetragen hat. Beispiele dafür sind die Bildung von Versammlungen und das Recht auf die Wahl eines Vertreters für den Verwaltungsrat eines Unternehmens, durch getrennte Abstimmungen der Minderheitsaktionäre, denen ein Teil der Aktien gehört.[6]

Positiv kann auch die Rückkehr der Tag-along-Rights [7] durch den Art. 254-A[8] eingeschätzt werden. Er erlaubt den Aktionären, die Stammaktien haben und nicht mehr an der AG teilnehmen wollen, den Verkauf ihrer Aktien zu einem Wert von 80% des Handelswertes der Vorzugsaktien.

Mit den neuen Maßnahmen ging eine Erhöhung der Transparenz des Handels auf den Finanzmärkten einher. Ein direkter informativer Kanal wurde von der CVM für die Anleger eingerichtet, um über die möglichen finanziellen Risiken und die direkt den Finanzmarkt beeinflussenden Entscheidungen der Regierung zu informieren. Die CVM ist stärker und autonomer geworden, jedoch bleibt sie weiterhin dem Finanzministerium unterstellt.

Es gab weiterhin Veränderungen, die klarere Regeln für die Definition von Preisen im Falle eines Angebots des Rückkaufs von Aktien des Hauptunternehmens festlegten und ein öffentliches Angebot vor der Schließung des Kapitals als obligatorisch durchsetzten.[9] Nach Art. 264[10] wurden neue Regeln für die Übernahme von Gesellschaften geschaffen. Die Bewertung des Vermögens der Controller- und der kontrollierten Unternehmen müssen nach den gleichen Kriterien und durch ein spezialisiertes Unternehmen erfolgen.

Die Änderungen des Gesetzes sind effizient gewesen, da die BOVESPA schon davor neue Regeln für die Auflistung der Unternehmen determiniert hatte. Diese Auflistung klassifiziert die Gesellschaften nach ihren Arten der Unternehmensführung. Dadurch erfolgte die Aufnahme in den nationalen Markt der Corporate Governance. Sie wurde bezeichnet als

“das System, das den Gesellschafter-Eigentümern die strategische Verwaltung der Gesellschaft und die wirksame Kontrolle der Geschäftsführung zusichert. Die Verbindung zwischen dem Eigentum und dem Management geschieht durch den Verwaltungsrat, die unabhängige Buchprüfung und den Aufsichtsrat. Sie sind fundamentale Instrumente für die Ausübung der Kontrolle. Eine gute Corporate Governance gewährleistet die Gleichheit der Aktionäre, Transparenz und die Verantwortungt für die Ergebnisse (accountability)."[11]

Diese Änderungen wurden bekannt als der Neue Markt und die Stufen 1 und 2 der differenzierten Verfahren von Corporate Governance.

4.1 Der Neue Markt

Die Geschichte der brasilianischen Corporate Governance war nicht so günstig für derart tief greifende Veränderungen, insbesondere nicht auf freiwilliger Basis, da ein großer Teil der brasilianischen Unternehmen Familienunternehmen sind.

Sie behalten einen großen Teil der Aktien in eigener Hand und vermeiden ihren Handel auf dem öffentlichen Markt, um den Eintritt neuer Aktionären oder den Kauf neuer Aktien von Gruppen oder einzelnen Aktionären (insbesondere solcher mit Stimmrecht) zu vermeiden. Damit möchten sie Macht- und Einflussverlust oder gar den vollständigen Verlust der Kontrolle über das Unternehmen verhindern.

Diese Mentalität ging gegen die Ideale der BOVESPA, da die protektionistische Haltung gegenüber den Minderheitsaktionären offensichtlich war. Es gab große Widerstände gegen jegliche Maßnahmen, die gegen die Tradition der Kontrolle initiiert wurden. Dies hatte die BOVESPA vorhergesehen. Daher war die Annahme einer Corporate Governance nicht verpflichtend, sondern bestand auf freiwilliger Basis.

Im Jahr 2000, kurz bevor die Gesetzesvorlage des neuen AktG verabschiedet wurde, hat die BOVESPA drei Arten von Auflistungen für die Gründung eines neuen parallelen Marktes für brasilianische AGs, die die Corporate Governance praktizieren wollten, entwickelt.

Wie bereits gesagt, gab es (und gibt es noch immer) keine Verpflichtung zur Teilnahme an dieser neuen Auflistung der BOVESPA. Die AG übernimmt die Verantwortung zur Verbesserung ihrer betriebswirtschaftlichen Praxis freiwillig. Weiterhin verpflichtet sie sich dann, mehr und präzisere Informationen als gesetzlich vorgeschrieben über den Zahlungsverkehr bekannt zu geben.

Das Unternehmen muss bestimmten Bestimmungen der BOVESPA folgen, um einen festen Platz auf dem Neuen Markt zu bekommen. Die Registrierung bei der CVM ist obligatorisch, und die Registrierung wiederum nötig um auf dem Wertpapiermarkt der BOVESPA handeln zu können. Ein weiteres Merkmal ist die Verpflichtung einer AG, einen Beteiligungsvertrag zu unterzeichnen, wenn sie sich für den Neuen Markt entschieden hat. Damit verpflichtet sie sich die vertraglichen Mindestanforderungen zu erfüllen, die so genannten "Corporate-Governance-Grundsätze"[12] und stimmt zu, ihre Satzung den Regeln der Schiedsklausel anzupassen.

Der Begriff der Schiedsklausel wird von der BOVESPA definiert als

die Klausel, die die Unternehmen, die Aktionäre, Direktoren, Mitglieder des Aufsichtsrats und der BOVESPA verpflichtet, jeden Streit oder Kontroverse zwischen ihnen durch Schiedsverfahren zu lösen. Diese können entstehen aus oder im Zusammenhang mit der Rechtsfindung, der Gültigkeit, der Wirkung, der Auslegung, der Zuwiderhandlung und der Auswirkungen des AktG; dem Statut der Gesellschaft; den Regeln der CMN; der Zentralbank von Brasilien; dem CVM; sowie mit anderen Normen für die allgemeine Funktionstüchtigkeit des Kapitalmarktes; den Normen des Auflistungsreglements; dem Schiedsreglement und dem Beteiligungsvertrag an dem Neuen Markt. [13]

Neue Bestimmungen verlangen, dass an einer Beteiligung am Neuen Markt interessierte Unternehmen einen Mindestprozentsatz der Aktien im Umlauf haben müssen.[14] Weiterhin darf die AG ihr Kapital nur als Stammaktien verteilen (bis auf einige Ausnahmen) [15], es darf keinen begünstigten Part geben und die AG muss sich an die Normen und Verordnungen der BOVESPA halten.

Es gibt Verbesserungen hinsichtlich der Informationen für die Öffentlichkeit[16], da spezifischere Regelungen geschaffen wurden, die verlangen, dass die Daten der Gewinn-und-Verlust-Rechnungen besser detailliert werden müssen, insbesondere in Bezug auf den Kassenfluss. Die Veröffentlichung dieser Angaben wird nach den internationalen Standards IFRS oder US-GAAP[17] gemacht.

Das Unternehmen ist zu einer Vorlage eines jährlichen Kalenders mit allen Veranstaltungen (Treffen, Kongressen, Seminaren, Schulungen, Trainings, die Vorstellung von Ergebnissen, usw.) verpflichtet. Weiterhin müssen Protokolle der Vereinbarungen zwischen den Aktionären und des Wertes der Handelstätigkeiten der Kontrolleure offen gelegt werden.

So sind Unternehmen an strengere und spezifischere Regeln gebunden, bekommen jedoch als Gegenleistung die Vorteile der Teilnahme an einer "elitären" Gruppe der BOVESPA, die mehr Glaubwürdigkeit auf dem Markt hat und von den Investoren als eine sichere und ernste Anlage gesehen wird. Somit steigern sie ihre Aktienwerte und die Liquidität der Aktien.

Für die Minderheitsgesellschafter erhöhen diese Regeln ihre Entscheidungsbefugnisse, da sie folgendes verlangen: dass die AG mindestens ein Mal pro Jahr eine öffentliche Sitzung für die Investoren und Analytiker machen muss; die Geschäftspraktiken von Tag-along-Rights; die Durchführung von öffentlichen Verkaufsangeboten aller ausstehenden Aktien im Falle der Schließung des Kapitals oder der Löschung der Handelsregistrierung auf dem Neuen Markt; die Schaffung eines Verwaltungsrates, der mindestens 20% der Mitglieder in Form von unabhängigen Ratsmitgliedern hat und, am wichtigsten, der Beitritt zu dem Schiedsgericht des Marktes, das im Falle von Gesellschafterkonflikten das verantwortliche Organ für die Beilegung von Streitigkeiten ist.

4.2 Die Stufen der Praxis der Corporate Governance

Die BOVESPA hat auch die Corporate-Governance-Grundsätze geschaffen. Diese sind auf zwei Ebenen definiert, die Stufe 1 und 2. Sie unterscheiden sich voreinander nach dem Grad der erwünschten Verpflichtung des Unternehmens bei seinem Vertragsbeitritt.

Die Corporate Governance Grundsätze stellen ein Ensemble von Regeln dar, die die gesellschaftliche und administrative Führung und das Kontrollsystem eines Unternehmens regulieren. Sie sind ähnlich denen des Neuen Markts aber sie unterscheiden sich voneinander, da der Neue Markt hauptsächlich für die AGs, die noch nicht an dem Wertpapiermarkt teilnahmen, geschaffen wurde und die Corporate Governance bereits bestehende Unternehmen, die schon am Wertpapiermarkt teilnehmen, erreichen sollte.

Für die AGs, die sich für die Stufe 1 entscheiden, sind eine Erhöhung und Verbesserung der Informationsbereitstellung für die Öffentlichkeit, eine Erhöhung ihres Aktienumlaufs auf dem Markt und eine Zunahme der Werbung für einen höheren Zugang neuer Aktionäre Pflicht.

Auf Stufe 2 gibt es, zusätzlich zu den Verpflichtungen der Stufe 1, die Verpflichtung wirksame Maßnahmen für eine höhere Gleichheit zwischen den Aktionären und der Ausweitung der Rechte der Minderheitsaktionäre anzunehmen und die Verpflichtung zur Annahme der Grundsätze der Corporate Governance.

4.3 Konkrete Ergebnisse

Nach Angaben des IBGC (Brasilianisches Institut der Corporate Governance)[18] war im Jahr 2006 zum ersten Mal die Mehrheit der gehandelten Aktien von aufgelisteten Unternehmen (entweder des Mercado Novo oder der Stufen 1 oder 2 der Corporate Governance). In Zahlen bedeutete dies, dass 53% des gesamten Geschäftsumsatzes und 55% des Handels per Kassa von diesen teilnehmenden Unternehmen getätigt wurde.

Einige Indexe, neben der IBOVESPA[19], wurden zur Messung der Fortschritte dieser Unternehmen geschaffen, auch als eine Form der Motivierung anderer Unternehmen, sich diesen Konzepten anzuschließen. Solche Indexe sind z.B. der IGC (Index der Corporate Governance Aktien), der die Leistungsfähigkeit der AGs mit differenziertem Management misst. Seit seiner Gründung im Jahr 2001 gab es eine durchschnittliche Wertsteigerung von 27,2 %, demgegenüber hatte der IBOVESPA ein Wachstum von 22,8% in dem gleichen Zeitraum.[20]

Ein weiterer wichtiger Index, besonderes für Minderheitsaktionäre, ist der ITAG (Index der differenzierten Tag-along-Rights Aktien). Dieser misst die Leistung der AGs, die Tag-along-Rights anwenden. Nach seiner Gründung im Jahr 2002 hat der ITAG eine durchschnittliche Wertsteigerung von 54,3% pro Jahr gehabt. Im Gegensatz dazu hatte der IBOVESPA eine durchschnittliche Erhöhung von 35,5% pro Jahr.

Trotzdem ist laut der BOVESPA

“der IBOVESPA der wichtigste Index der durchschnittlichen Wertsteigerung des Kurses der brasilianischen Börse. Seine Bedeutung ergibt sich aus der Tatsache, dass der IBOVESPA das Verhalten der wichtigsten Geschäftspapiere der BOVESPA widerspiegelt und aufgrund seiner Tradition, da der Index seine Integrität im Laufe der Zeit behalten hat und keine methodischen Veränderungen seit seiner Einführung im Jahr 1968 erlebt hat.”[21]

Mit dem Interesse die brasilianische Gesellschaft und die Unternehmen noch stärker in die Corporate Governance einzuführen, veranstaltet der IBGC regelmäßige Publikationswettbewerbe und kostenlose Veröffentlichungen journalistischer Texte um die Diskussion über Corporate Governance zu fördern.



[1] Die Börse von São Paulo, BOVESPA, ist die internationale Referenz Brasiliens auf dem Wertpapiermarkt.

[2] Autor unbekannt. Jornal Diário do Nordeste. (http://www.diariodonordeste.com.br). Zugriff am: 04.01.09.

[3] AktG Nr. 10.303/01

[4] AktG Nr. 10.303/01

[5] Art. 118, §§ 6- 11 des AktG Nr. 10.303/01

[6] Art. 141, §§ 4- 8 und Art. 161, §4 des AktG Nr. 10.303/01

[7]Der Aktionär darf seine Anteile bei Vorlage eines Kaufangebots zu den geltenden Konditionen mitverkaufen.” KELLER und KLÖTZLE (2004, S. 186)

[8] AktG Nr. 6.404/76

[9] Art. 4, §§ 4 und 5 und Art. 4-A des AktG Nr. 10.303/01

[10] Art. 264 des AktG Nr.10.303/01

[11] Definition von Corporate Governance im Gründungstext der IBGC 1995, die 2008 geändert wurde. (http://www.ibgc.org.br). Zugriff am 14.11.2008.

[12] Autor unbekannt. Börse von São Paulo. (http://www.bovespa.com.br/). Zugriff am: 14.12.2008.

[13] Regulamento sobre o Novo Mercado. (2008, S. 6)

[14] Laut Abschnitte 7.3 und 8.5 des Regulamento sobre o Novo Mercado (2008, S. 17)

[15] Abschnitt III. Genehmigung für den Handel auf dem Neuen Markt. Abschnitt 3.1, (vi). Regulamento sobre o Novo Mercado (2008, S. 8)

[16] Diese werden zu den Informações Trimestrais (ITRs) addiert – diese Dokumente werden von den Unternehmen der CVM und BOVESPA geschickt, die sie später für die Öffentlichkeit freigibt.

[17] The International Financial Reporting Standards (IFRS) und The United States Generally Accepted Accounting Principles (US-GAAP) sind internationale Rechnungslegungsstandards, eine Zusammenstellung der internationalen Bilanzverkündung, die von dem IASB (International Accounting Standards Board) veröffentlicht und überprüft wird.

[18] GAMEZ. (http://www.ibgc.org.br.). Zugriff am: 18.01.2009

[19] Der Index von BOVESPA

[20] GAMEZ. (http://www.ibgc.org.br.). Zugriff am: 18.01.2009.

[21] Börse von São Paulo. (http://www.bovespa.com.br). Zugriff am: 19.01.2009